Prof. Dr. Wolfgang Huber, Dr. Winfried Franke, Dr. Frank Breitkreutz, Lars Petersen: Medizinische Gutachten aus ärztlicher und juristischer Sicht

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Zur Frage der sozialen Gerechtigkeit im derzeitigen Berufskrankheitenrecht: Erfahrungen bei der Erstellung eines medizinischen Gutachtens

Dr. Winfried Franke: lm Jahr 2014 wurden, laut Statistik Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), mehr als 75.

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Beschreibung

Zur Frage der sozialen Gerechtigkeit im derzeitigen Berufskrankheitenrecht: Erfahrungen bei der Erstellung eines medizinischen Gutachtens

Dr. Winfried Franke: lm Jahr 2014 wurden, laut Statistik Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), mehr als 75.000 Berufskrankheiten (BK) angezeigt. Davon wurden aber nur ca. 20 % anerkannt, insgesamt 6 % erhielten eine BK-Rente, bei ca. 30 % wurde zwar die berufliche Verursachung festgestellt, aber die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen waren nicht erfüllt, ca. 3 % waren Todesfälle infolge einer BK. Es gibt darüber hinaus eine hohe Dunkelziffer von Erkrankungen, die zwar berufsbedingt, aber von den Betroffenen nicht als solche eingestuft und deshalb nicht angezeigt werden.

Das derzeit geltende, restriktive Berufskrankheitenrecht und die restriktive Praxis der Berufsgenossenschaften (BG) sind ausschlaggebend dafür, dass die Anerkennung von Berufskrankheiten sehr erschwert wird und für die Betroffenen damit kaum eine Chance auf Entschädigung in Form einer Rente besteht. Die Berufung auf die „evidence based Medicine“ grenzt die Realität von umweltmedizinischen und berufsbedingten Erkrankungen aus.

Die Berufsgenossenschaften ermitteln von „Amts wegen“, deren Expertisen bestimmen entscheidend das gesamte Verfahren. Standardisierte Ermittlungen von Seiten der Berufsgenossenschaften gibt es keine. Bei den Ermittlungsverfahren treten oft Mängel auf. Durch die Berufsgenossenschaften bzw. durch den von ihnen beauftragten und finanzierten Technischen Aufsichtsdienst (TAD) werden die Arbeitsbedingungen und die aufgetretenen gesundheitsgefährdenden Belastungen oft nur unzureichend ermittelt, stets zum Nachteil der Betroffenen. Eine „zu gut“ ermittelnde BG muss anschließend

sozialrechtlich Entschädigungen leisten, d. h. die Anerkennung von Berufskrankheiten erfolgt durch diejenige Institution, die auch entschädigen muss. In der Realität sind Betroffene fast immer einer Belastung durch mehrere, gleichzeitig auftretende Belastungsfaktoren ausgesetzt. Das nach wie vor geltende, monokausale Rechtskonzept (eine Substanz – eine Krankheit) fuhrt zu der absurden Situation, dass selbst ein Versicherter, der schwer krank ist und bei dem die ursächlichen Belastungsfaktoren unzweifelhaft erfüllt sind, die Kriterien für eine „Einzel-BK“ oft nicht erfüllt, weil die nachgewiesenen Einzelexpositionen sowie die medizinischen Einzelbefunde dafür nicht ausreichen. Die Anerkennung einer BK nach der BK-Liste und die ihm zustehende Entschädigung werden daher abgelehnt. Den Betroffenen droht, zusätzlich zu dem gesundheitlichen, auch noch der finanzielle Ruin.

Vor dem Hintergrund solcher Erfahrungen, die alle medizinischen Gutachter im Fachbereich Umweltmedizin gleichermaßen gemacht haben, hat sich vor zwei Jahren, während einer EUROPAEM-Tagung in Würzburg, ein Arbeitsgruppe „Gutachter“ (AGGA) um die langjährig erfahrenen Gutachter Professor Walter Kochen und Professor Wolfgang Huber zusammengefunden. Die Arbeitsgruppe hat es sich zur Aufgabe gemacht, auf Schwachpunkte des Berufskrankheitenrechts hinzuweisen und entsprechende Änderungen zu fordern.

Hierfür hat die AGGA ein Arbeitspapier entwickelt, das als Grundlage für eine Diskussion zu einer längst überfälligen Reform des Berufskrankheitenrechts dienen soll. Es ist das Ziel der AGGA, den meistens sehr schwer erkrankten, oft bereits am Rande ihrer Existenz stehenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu ihrem Recht auf Anerkennung einer Berufserkrankung und auf Entschädigung zu verhelfen.

Dr. Frank Breitkreutz: Die Bedeutung medizinischer Sachverständigengutachten und ihr taktischer Einsatz: Sicht eines Patientenanwaltes. 

Das Kurzreferat erläutert die Bedeutung und die taktisch sinnvollen Anwendungsbereiche von medizinischen (Privat-)Gutachten aus Sicht der klagenden Partei (= des betroffenen Patienten).

Ein einführender Abschnitt skizziert die prozessualen Grundsätze von zivilen und sozialgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten und ihre Konsequenzen für den (gezielten) Einsatz medizinischer Sachverständigengutachten.

Der zweite Teil widmet sich den in der Praxis relevanten Konstellationen. Dies werden weit überwiegend Streitigkeiten mit der privaten oder gesetzlichen Krankenversicherung, der Rentenversicherung oder der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung sein.

Teil lll skizziert Aufbau und Inhalt qualifizierter Gutachten und – vor allem – die Notwendigkeit des regelmäßig entscheidungserheblichen Dialoges zwischen dem verfahrensführenden Rechtsanwalt und dem beauftragten (Privat-)Gutachter: zunächst sind – zwingend – auf juristischer Seite die eigentlich entscheidungserheblichen Fragen herauszuarbeiten, erst dann kann der medizinische Gutachter in einer verfahrensfördernden Weise Stellung nehmen.

Das Referat schließt mit Teil IV, in welchem einige instruktive Beispiele vorgestellt werden.

Lars Petersen:

A: Vorbemerkungen:

Medizinische Gutachter bewegen sich im Grenzgebiet zwischen Jurisprudenz und Medizin. Überschriften wie die folgenden sind daher nicht überraschend:

  • „Die (un)heimlichen Richter“
  • „Gutachter(un)wesen in der Kritik“

Der Gutachter als „Gehilfe des Gerichts“ soll medizinische Befunde erheben und bewerten, um dem Auftraggeber eine Entscheidung der rechtlich erheblichen Frage ermöglichen.

B: Anforderungen:

1. Unparteilichkeit + Unabhängigkeit: medizinisch-wissenschaftliche Objektıvität und Neutralität

2. Eigenverantwortlichkeit: Selbsterstellung und Letztverantwortung

3. Kompetenz; Ggf. Auftrag zurückgeben, keine Kompetenzüberschreitungen

  • Facharzt
  • Oberarztebene
  • Fortbildungsnachweise
  • praktische Erfahrung

4. Beachtung der Rechtsgrundlage: Kenntnis der Grundlagen und Termini des materiellen Rechts

5. Vollständige Erfassung der Sachverhalte:

  • Anamnese und körperliche Untersuchung; eigene Nachermittlungen
  • Zuverlässigkeit der Reproduktion (Reliabilität)
  • Sicherheit der Aussage (Validität)

6. lnteraktionsfehler vermeiden: Gutachter und zu Begutachtender kommunizieren anders als Arzt-Patient

7. Klarheit: Gutachten Iaienverständlich, klar, prägnant + eindeutig

8. Termingerechte Erstellung: Beweiswert der Befunde verblasst

9. Schweigepflicht: konkludent durch Antragstellung

10. Rechte des zu Begutachtenden: fehlende Mitwirkung hat beweisrechtliche Folgen. Technische Untersuchungen nur bei Einverständnis nach Aufklärung. Gutachtenauftrag allein keine Indikation für Röntgenaufnahme

C: Finale und kausale Fragestellungen:

1. Finale Fragestellungen:

a) Auswirkungen vorhandener Gesundheitsstörungen auf das beruflich-soziale Leben

b) „lntemational Classification of Functioning, Disability and Health“ der WHO, deutsch: „Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit“, fließt in SGB IX

c) unterschiedliche Maßstäbe in unterschiedlichen Rechtsbereichen, z.B.

  • SchwerbehindertenR: Grad der Behinderung (GdB)
  • gesetzliche Rentenversicherung: täglich mögliche Arbeitszeit
  • gesetzliche Unfallversicherung: Minderung der Enıverbsfähigkeit (MdE)

2. Kausale Fragestellungen:

a) sachverständige Uberprüfung von Ursache-Wırkung-Bezıehungen

b) Strafrecht: „conditio sine qua non“: jeder Vorgang, der kausal für einen Sachverhalt ist: dieser wäre nicht zustande gekommen, wenn der Vorgang hinweggedacht würde

c) Zivilrecht: „csqn“ muss zusätzlich adäquat kausal sein: innerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung

d) Sozialrecht: Relevanztheorie: konkurrierende Kausalitäten sind zu berücksichtigen

 

D: Beweismaß bei kausalen Fragestellungen:

1. haftungsbegründene Kausalität: Verursachung des Gesundheitserstschadens durch Unfall/schädigende Einwirkung; Vollbeweis („brauchbarer Grad von Gewissheıt, der Zweifeln Schweigen gebietet“)

2. haftungsausfüllende Kausalität: Weiterentwicklung der gesundheıtlıchen Folgen zum „Folge- bzw. Sekundärschaden“ („höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit“ genügt)

Über Dr. Winfried Franke:

1966-83 Studium der Biologie und Medizin

1976 Promotion zum „Doctor rerum naturalium“

ab 1977 Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Somazellgenetik (Prof. Ropers) am Institut für Humangenetik der Universität Freiburg

1983 Approbation als Arzt

1983 – 1990 Tätigkeiten als Arzt an verschiedenen Standorten

1990 Niederlassung als Arzt in Schallstadt – Mengen.

1993 Bezeichnung Praktischer Arzt.

1996 Anerkennung als Facharzt für Allgemeinmedizin Zusatzbezeichnung Umweltmedizin., LÄK Baden-Württemberg. Gründung einer Praxisgemeinschaft mit Roger Herzet in Schallstadt. Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren.

Seit 2010 Tätigkeıt als Gutachter im Fachbereich Umweltmedizin

Über Dr. Frank Breitkreutz:

  • Studium der Rechtswissenschaften in Rostock und Innsbruck
  • Tätigkeit für mittelständische Kanzlei in Miami, Florida
  • Promotion im Wettbewerbs- und Kartellrecht
  • Tätigkeit in mittelständischer Kanzlei
  • Gründung der Kanzlei Dr. Breitkreutz & Kollegen
  • Tätigkeit in den Rechts- und Entwicklungsabteilungen zweier pharmazeutischer Unternehmen
  • BBP Rechtsanwälte
  • Medizinrechtliche Lehrtätigkeiten an der Universität Leipzig und der Europa-Universität viadrina Frankfurt (Oder)

Über Lars Petersen:

10/87 – 01/92 Jura-Studium Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 1. Staatsexamen

04/92 – 01/95 Rechtsreferendar Landgericht Baden-Baden, 2. Staatsexamen

seit 02/95 Höherer Justizdienst des Landes Baden-Württemberg, 1 Jahr Amtsgericht Bühl, 1 Jahr Landgericht Freiburg und Amtsgericht Ettenheim, 5 Jahre Staatsanwaltschaft Lörrach, Ernennung zum Staatsanwalt auf Lebenszeit

02/2003 Ernennung zum Richter am Amtsgericht Freiburg, 4 Jahre Abteilungsleiter Vormundschaftsgericht, 4 Jahre Abteilungsleiter Familiengericht

2009 9 Monate Erprobungsabordnung am Oberlandesgericht Karlsruhe, Rückkehr an das Amtsgericht Freiburg, Abteilungsleiter

Familiengericht

seit 09/2011 Abteilungsleiter und Pressesprecher Strafrecht als „weiterer aufsichtsführender Richter“

 

Lieferung: Video-DVD; Spieldauer: ca. 1 Std. 15 Min.; Format: 16:9, produziert mit 2 Kameras

 

Ausschnitte:

Vorschau:

1/2: Prof. Dr. W. Huber u.a.: Medizinische Gutachten aus ärztlicher und juristischer Sicht

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